Piemontesischer Weißwein
Roero Arneis, Cortese di Gavi, Erbaluce, Timorasso. Still oder perlend. Es ist schwierig zu entscheiden, welcher der Beste ist. Denn auf den Hügeln, die Rotweinzone der Gebiete Langhe und Monferrato, ist die wahre Perle ... der Weißwein! Sei es eine antike, einheimische Rebsorte wie die Nascetta oder ein Klassiker der modernen Önologie wie die Chardonnay, diese "andere" Seite des Piemonts darf dem wahren Liebhaber des italienischen Weines nicht verborgen bleiben.
Zwischen Roero und Langhe: der Arneis
Die Arneis ist das Ass im Ärmel des Roero, einem Gebiet im Piemont morphologisch dem Langhe-Gebiet ähnlich, das sich jedoch entlang des linken Ufers des Tanaro befindet. Hier, wo die Nebbiolo nicht so viel Glück hatte, ist der Erkennungswein ein Weißer: Arneis. Strohgelb und mit wunderbar mineralischen Zitrusdüften, gelber Frucht und pflanzlicher Eleganz beschert die Arneis einen Schluck von vortrefflicher Frische, immer von einem mitreißenden Aroma begleitet. Die besten Cru verschmähen keine Veredelung auf den Gärstoffen oder, in manchen Fällen, in Holz, mit einer beträchtlichen Bereicherung der Komplexität eines bereits an sich faszinierenden Produkts. Auch als Passito erfolgreich.
Gavi, der angesagte, piemontesische Weißwein
Neutral sagen manche, vielseitig wiederum andere. Die Cortese ist sicherlich die poppigste piemontesische Weißweintraube par excellence. Ursprünglich in der Provinz Alessandria beheimatet, ist sie heute typisch im unteren Piemont und vor allem in der DOCG Gavi. Als piemontesischer Aperitif liefert sie sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der Arneis, die vielleicht komplexer, aber im Vergleich nicht weniger zufriedenstellend ist. Strohgelb mit grünlichen Reflexen kommen generell einfache Noten von weißen Blumen und delikaten Früchten, mit mineralischen Zügen und Feldgräsern zum Ausdruck. Frisch und schmackhaft, von gemäßigter Struktur - außer die Versionen, die eine gewisse Zeit auf den Gärstoffen reifen- kennt sie normalerweise nur Stahl und hinterlässt ein leichtes Mandel-Finish. Auch sehr gut als Perlweinbasis, sowohl im Prosecco-Stil, als auch in der Metodo Classico.
Erbaluce: der großartige Weiße des oberen Piemonts
Die Erbaluce ist die typischste weiße Traube des hohen Piemonts. Ihr Ursprung ist nicht eindeutig, vielleicht gehört sie zur Familie der Trebbiano, sie scheint auf jeden Fall eine Autochthone des Canavese zu sein, und in der Tat lobte bereits 1606 der Literat Giulio Cesare Croce ihre Qualität in Della eccellenza e diversità dei vini. Der Name kommt von "alba-luce", bezugnehmend auf die rosa-kupferne Farbe der Blätter im Herbst. Der kürzliche Erfolg der Erbaluce, der DOCG Erbaluce di Caluso o Caluso vorbehalten ist, ist der großartigen Geschmeidigkeit der hergestellten Weine zuzuschreiben.
Die Traube enthält nämlich eine erhöhte Säure, auch auf dem Höhepunkt der Reifung, was für elegante, duftende Weine mit der richtigen Frische, blumige, fruchtige, pflanzliche, generell angespannte, subtile aber auch komplette Aromen im Mund sorgt. Ein hervorragender, stiller Weißwein, auch zur Veredelung in Holz. Die Erbaluce hat sich auch als perfekter Perlwein herausgestellt, und nicht nur als Aperitif. Das typischste und begehrteste Produkt ist der Caluso Passito, ein aus getrockneten Erbaluce-Trauben hergestellter Süßwein, dessen Most in den besten Versionen, im Vinsanto-Stil, mit dem Gebrauch von kleinen Fässern, mit Sauerstoffkontakt vinifiziert wird: Die oxidativen, teilweise salzigen Noten von Trockenobst und Walnussschale gleichen den beträchtlichen Zuckerrückstand aus, und schaffen einen der faszinierendsten nordischen Süßweine Italiens.
Chardonnay, Riesling, Sauvignon: der piemontesische, internationale Weißwein
Die internationalen Trauben haben sich, wenn auch nicht so stark wie in der Toskana, im gesamten Piemont verbreitet. Die Gebiete zur Auswahl sind ziemlich begrenzt, jedoch mit außerordentlichen Ergebnissen. Durch das Klima und die Bodenbeschaffenheit (Ersteres oft frisch, Zweiteres mineralisch), hat sich das Piemont in den letzten zehn Jahren als ideales Terroir für viele internationale Weißweintrauben herausgestellt. Im Land des Barolos stellt man zum Beispiel hervorragende Chardonnay her, die nicht selten im Holz veredelt werden. Frische Weißweine von guter Struktur und angenehmer Würze, die das Beste aus einem Terroir gewinnen, das UNESCO Weltkulturerbe ist. Und nicht nur das: Abgesehen von hervorragenden Sauvignon Blanc, weiß nicht jeder, dass die Langhe und Roero, einige der besten italienischen Rieslingen erzeugen. Dies ist vor allem dem fast schon bergigen Terroir der hohen Langhe zu verdanken, wo heroische Weinberge, die im Winter schneebedeckt sind und wo ein besonders kühles Klima herrscht, aufgrund ihres mineralischen Nervs, sensationelle Weißweine mit klassischen Noten von Kohlenwasserstoff und Langlebigkeit hervorbringen.
Timorasso, Nascetta, Favorita und ein Erbe, das wiederhergestellt werden muss
Laut einiger ist die Timorasso aufgrund ihrer Mineralität und Langlebigkeit eine wichtige weiße Traube des Piemonts, unter den Besten in Italien. Bezüglich der Mineralität der Timorasso, einer autochthonen Traube der Hügel von Tortona im süd-östlichen Piemont, drückt sie sich nicht gewöhnlich aus, sondern bezieht sich auf spezifische Noten von Harz, Kohlenwasserstoff und Feuerstein, was sich mit den Jahren zu einer außergewöhnlichen Komplexität weiterentwickeln kann. Seit dem dreizehnten Jahrhundert hat sie es des öfteren riskiert, auszusterben, da ihr Anbau, der sehr sensibel in Bezug auf Fäulnis und andere Krankheiten ist, extrem schwierig ist und die Erträge niedrig sind. Dank der konservierenden Veredelung nur im Stahl auf den Gärstoffen, ergibt die Timorasso einen Wein, der in jungen Jahren nicht einfach einzuschätzen ist und auch Jahre braucht, bis er seine ganze Klasse ausdrücken kann. Jung mag er zwar bitter, pflanzlich und nervös erscheinen, aber mit der Zeit beschert er einen vollmundigen, strukturierten, makellosen, vertikalen Schluck, von beständiger Säure und mit einem Mandel-Finish von großer Eleganz.
Die Nascetta ist die autochthone Weißweinrebe der Langhe. Seit dem achtzehnten Jahrhundert nachgewiesen, wurde sie kürzlich wiederentdeckt und wiederhergestellt, da sie es, nachdem die Rotweinsorten zur Berufung des Gebiets geworden waren, riskierte, zu verwahrlosen. Die starke strohgelbe Farbe mit grünlichen Reflexen kündigt die Empfindungen in der Nase von Noten nach Zitrus, Grapefruit und weißem Pfirsich an, die sich zu weißen Blumen, Akazienhonig und Thymian entwickeln. Im Mund überflutet die Frische den Gaumen und bleibt dank der Herzhaftigkeit erhalten, die, zusammen mit Trockenobst, ein angenehmes, saftiges und samtiges Gefühl schafft. Sie eignet sich gut zu einer gewissen Entwicklung, auch als angenehmer, mineralischer und erfrischender Schaumwein.
Kürzlich erschienene Studien haben ergeben, dass die Favorita und die Vermentino genetisch die gleiche Rebe sind; die Vermentino, also die Favorita repräsentiert die piemontesische Variante, mit ihren eigenen Merkmalen, die mit dem Klima, welches nicht das mediterrane der "Zwillingsschwester" ist, und dem Land verbunden ist. Verbreitet im Langhe-Gebiet und im Roero, ebenso wie im Tal des Belbo und in Richtung Canelli, beschert die Favorita trockene, frische und harmonische Weißweine, ausgestattet mit einer vor allem aromatischen Persönlichkeit, aber sie eignet sich auch gut zur Umsetzung von weißen Perlweinen, teilweise Schaumweinen, die ihre ausgeprägte Säure und ihr feines Bouquet verstärken.
Das Piemont ist in der Tat eine Region mit einer großen Tradition beim Weinanbau, sowohl Rot als auch Weiß, mit einem außerordentlichen Vermögen an autochthonen Trauben. Dennoch haben in den letzten Jahrzehnten defininitiv die Roten Oberhand gewonnen: Barolo, Barbaresco, die großartige Barbera, Dolcetto und alle Nebbiolo des oberen Piemonts sind zwischenzeitlich – mit sehr großem Wert natürlich – die Gewinnermarken des regionalen Weinanbaus. Darüber hinaus selbstverständlich die Muskateller, die vielleicht einzige große, internationale Weißweintraube des Piemonts, die jedoch auch, wie wir bereits wissen, für die Herstellung des Moscato d'Asti, des Asti Spumante und manche Passito-Versionen fast immer süß vinifiziert wird.
Der piemontesische Weißwein war daher eine Wiederentdeckung. Teilweise haben ganze Gebiete die Traube für sich aufs Neue entdeckt, nachdem antike Weißweintrauben der Gegend vom Aussterben bedroht oder dem Risiko ausgesetzt waren, vollständig von roten Trauben ersetzt zu werden. Wie es bei der Timorasso der Fall war. Andere Trauben haben dank der Bedürfnisse des modernen Geschmacks, der immer mehr in Richtung frische, trockene, vertikale Weißweine geht, die sich hervorragend als Aperitife und zu verantwortungsvollem Trinken eignen, neue Lebenskraft bekommen: Wie beim Gavi und Arneis del Roero. Entdecken wir sie gemeinsam (aufs Neue)!